Soziale Auswirkungen des Eigentums an Grund und Boden

Achtung, öffnet in einem neuen Fenster. PDFDruckenE-Mail

Darum sollt ihr das Land nicht verkaufen ewiglich; denn das Land ist mein; und ihr seid Fremdlinge und Gäste vor mir.” 3. Mose, 25, 23

QUELLE:http://fassadenkratzer.wordpress.com

Ausgangslage

So wie jeder Mensch Luft zum Atmen braucht, so auch ein Stück Erde, das er zum Wohnen, Essen, Schlafen und für die Verrichtungen seines Lebens nutzen kann. Der Boden ist notwendige Lebens- und Arbeitsgrundlage aller Menschen. Kein Mensch hat das Recht, andere davon auszuschließen oder ihnen den Zugang durch unberechtigte Bedingungen zu erschweren oder unmöglich zu machen. Eine gerechte Bodenordnung, die das Interesse und das Wohl aller in einer Rechtsgemeinschaft lebenden Menschen im Auge hat, muss daher dafür sorgen, dass alle  Menschen  in gleicher Weise ungehinderten Zugang zu einem Stück Boden haben.



Das heutige private Eigentumsrecht am Boden macht dem Einzelnen etwas zu eigen, was ihm nicht gehören kann. Boden ist keine Ware, die er selbst hätte produzieren oder von anderen als deren Produkt hätte erwerben können. Das Eigentum verbindet hier Teile der Erde, die allen Menschen als Lebensgrundlage dienen soll, mit der Persönlichkeit eines Einzelnen, indem es andere davon ausschließt  und es seiner prinzipiell unbeschränkten Verfügungsgewalt unterwirft. Der Boden wird gleichsam zum Raub Einzelner.

Das Privateigentum an sich ist natürlich tief berechtigt. Es hat sich geschichtlich im Zuge der Emanzipation der menschlichen Persönlichkeit aus der Gemeinschaft notwendig entwickelt. Es verbindet die individuelle Existenz des Menschen mit materiellen Gegenständen, die seine physische Existenz erhalten, sichern und erweitern. Es schließt ihn damit einerseits in gewisser Weise von seiner Um- und Mitwelt ab, verhilft ihm andererseits zu Eigenständigkeit und Selbstverantwortung und unterstützt so die Bildung der geschlossenen, in sich selbst gegründeten Persönlichkeit. Es ist das Privateigentum an Gebrauchs- und Verbrauchsgütern, für deren Erwerb der Mensch mit einem berechtigten, da notwendigen Egoismus unentwegt bedacht sein muss. Es wird jedoch widersinnig und unsozial, wenn es auf Grund und Boden ausgedehnt wird, der nicht persönlich verbraucht werden kann, bei dem das Eigentum Nichteigentümern gegenüber eine dauerhaft privilegierte Stellung verleiht.

Grundlage jeder gerechten  Wert- und Eigentumsbildung ist die menschliche Arbeit.In der Arbeit selber liegt ein Wert, der, sofern er als Arbeitsergebnis auf dem Markte einen Preis erzielt, seinen vollen Ertrag (Arbeitsertrag) beanspruchen darf. Nur dieser volle Arbeitsertrag kann die Grundlage zur Bildung von Eigentum schaffen“ (Lothar Vogel: Die Verwirklichung des Menschen im sozialen Organismus, Eckwälden 1973, S. 86). Denn „Gegenseitigkeit ist die Formel der Gerechtigkeit“, formulierte der große Philosoph des Mittelalters Thomas von Aquin.

In einem großen dünn besiedelten Land mag ja Eigentum an Grund und Boden nicht weiter negativ ins Gewicht fallen, wenn wir hier mal von der Problematik der Bodenschätze absehen, die der jeweilige Eigentümer für sich beansprucht, obwohl er sie dort auch nicht vergraben hat. Mit zunehmender Dichte der Besiedlung wird aber rasch die Grenze erreicht, wo der Boden seiner Unvermehrbarkeit wegen nicht mehr allen in gleicher Weise zur Verfügung steht. Er gerät unaufhaltsam in das Eigentum relativ immer weniger, die eine natürliche Monopolstellung einnehmen. Denn durch die Knappheit steigt der Wert des Bodens und wird nur noch für einen Teil der Menschen erschwinglich.

Die Art der Nutzung des Bodens führt zu unterschiedlichen Bodenwerten. Grundstücke, die landwirtschaftlich genutzt werden, haben einen geringeren Wert als solche, die mit gewerblichen Gebäuden oder Wohnhäusern bebaut werden. Ein einziger Strich eines städtischen Bauamtes, der ein landwirtschaftliches Grundstück am Rande der Stadt in den Bebauungsplan einbezieht, lässt den Quadratmeterpreis dieses Grundstückes von vielleicht 10 € mit einem Sprung auf mögliche 200 € oder mehr emporschnellen. Bei einer Größe von 10.000 qm bedeutet dies eine Wertsteigerung von 100.000 € auf nunmehr 2.000.000 €. Das heißt, der Eigentümer, der es für 100.000 € gekauft hatte, macht beim Verkauf an Bauinteressenten einen Gewinn von 1.900.000 €, die ihn mit einem Schlage zum Millionär machen, nur weil er das Eigentumsrecht hat. An Gegenleistung hat er nicht das Geringste erbracht; was ihm zufließt, müssen aber andere für ihn erarbeiten. Solche Preise übersteigen die finanziellen Möglichkeiten der Mehrheit. Die Grundstückskosten gehen aber in die Erstellungskosten der Häuser und damit auch in die Mieten ein, so dass sie beim größten Teil der Wohnungen letztlich doch von den eigentumslosen Mietern bezahlt werden müssen.

Die Erwerber der Wohnungsgrundstücke sind nun selbst in der Lage, andere Mitmenschen davon auszuschließen, bzw. deren Teilhabe an der Benutzung, die doch für diese lebensnotwendig ist, von der Entrichtung eines Tributes abhängig zu machen. Soweit Pacht und Miete über die Erstattung notwendiger Kosten hinausgehen, werden sie zu Bodenrenten, d. h. zu einem nicht nur einmaligen, wie beim Verkauf, sondern einem dauerhaften arbeitslosen Einkommen, das andere für sie ständig erarbeiten müssen. Das Bodenmonopol versetzt wenige in die Lage, Zahlungen einzig aufgrund ihres Eigentumsrechtes zu erhalten und nicht dafür, dass sie eine Leistung erbringen. Sie können andere Menschen gleichsam wie Sklaven für sich arbeiten lassen.

Eigentum an Grund und Boden ist bei uns zudem mengenmäßig unbegrenzt. Einzelne können ohne jede Rechtsgrenzen Verfügungsgewalt über Grund und Immobilien in beliebiger Größe und Menge anhäufen und dadurch beliebig große ökonomische Macht über andere Menschen erringen. Dieser Macht sind durch Schenkung und Vererbung auch zeitlich keinerlei rechtliche Grenzen gesetzt.

Zur gegenwärtigen Situation

In Deutschland haben ca. 40 % der Bevölkerung ein Eigenheim, das sie selbst bewohnen. 60 % der Menschen besitzen kein Grundeigentum, sondern wohnen zur Miete. Das entsprechende Eigentum an diesen Wohnungen und den dazu gehörigen Grundstücken gehört etwa einem Zehntel der Bevölkerung (Christian Kreiß: Profitwahn, Marburg 2013, S. 16, 17). Das bedeutet:

Sämtliche Miet- und Pachteinnahmen in Deutschland fließen auf die Konten von etwa 10 % aller deutschen Haushalte. 90 %  - neun Zehntel aller Mitbürger! – bekommen keine Miet- oder Pachteinnahmen, sondern zahlen diese entweder in direkter Form (Mietwohnung) oder indirekter Form (Miete oder Pacht, die z. B. der Bäcker zahlt, wird auf den Brot- oder Semmelpreis umgelegt, verteuert also Brot oder Semmel).

Diese Miet- und Pachtzahlungen, für die die Bezieher nicht zu arbeiten brauchen, sind (…) nicht nur ungerecht (sie fließen auf die Konten der wohlhabendsten 10 % der Haushalte), unsozial (die „unteren“ 90 % der Bevölkerung, also fast alle, zahlen an die Wohlhabendsten), sondern auch gefährlich, da sie zu steigender Ungleichverteilung und damit mittelfristig einer Wirtschaftskrise führen“ (Christian Kreiß, Profitwahn, S. 148).

Damit ist ja verbunden, dass 25 bis 40 % des Einkommens derjenigen, die von den Eigentümern am Grund und Boden abhängig sind, für Miete ausgegeben werden muss, welche andererseits (nach Abzug der Kosten) den Eigentümern an Einkommen zuwächst. Dadurch können diese natürlich nicht nur erheblich mehr für Konsum ausgeben, sondern auch erheblich mehr sparen und „rentabel“ anlegen, wodurch bei ihnen im Laufe der Zeit ein immer größeres Vermögen kumuliert und die Ungleichverteilung strukturell zwingend weiter zunimmt.

Der prozentuale Anteil der Miete am Einkommen trifft natürlich Mieter mit höherem Einkommen weniger, solche mit mittlerem und geringem Einkommen umso härter.

„Einer Umfrage zufolge, die das Marktforschungsinstitut TNS Infratest im Auftrag der WüstenrotImmobilien GmbH durchgeführt hat, geben Mieter in Deutschland durchschnittlich 37 Prozent ihres Haushaltnettoeinkommens für das Wohnen aus – und jeder vierte Deutsche sucht nach einer günstigeren Wohnung. Der Mieterbund prangert jedoch an, dass die Eigentümer die Preise insbesondere bei Neuvermietungen stark in die Höhe treiben. Zum Teil zahlen so genannte “Starterhaushalte” – also Menschen, die neu in Ballungsräume ziehen – rund 30 Prozent mehr Miete als ihre Vorgänger.“http://www.tagesschau.de/inland/mietpreise100.html

Überhaupt steigen die Mieten, da vielfach die Nachfragen die Angebote übersteigen, stärker als die Einkommen.

Laut Angaben der Statistischen Landesämter stiegen die Mieten in Rheinland-Pfalz zwischen 2005 und 2010 um rund 16 Prozent, Hessen verzeichnete einen Anstieg von knapp zehn Prozent. Die Großstädte Wiesbaden und Mainz gehören mit Quadratmeterpreisen zwischen 9,50 Euro und 10,20 Euro für Neumieten zu den Top Zwölf der teuersten Städte Deutschlands. Frankfurt liegt mit 12,07 Euro pro Quadratmeter sogar auf Platz zwei hinter München – in beiden Städten stiegen die Mieten zwischen 2004 und 2012 um bis zu 28 Prozent, so ein aktuelles Gutachten des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA)“ (s. obiger Tagesschau-Link).

Das führt dazu, dass immer mehr Menschen mit niedrigem Einkommen trotz Wohngeld des Staates keine Wohnung finden. Denn bei großer Nachfrage zieht der Vermieter aus Sicherheitsgründen Menschen mit höherem Einkommen vor. Bei niedrigem Einkommen können eher finanzielle Schwierigkeiten auftreten, so dass die Miete nicht mehr regelmäßig oder gar nicht mehr gezahlt wird. Nach „Report Mainz“ vom 30.4.2013 wurden im vergangenen Jahr etwa 70.000 Zwangsräumungen vollstreckt. Die Tendenz sei steigend, teilte Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund dem Magazin mit. Das bedeutet für immer mehr Menschen das Rutschen auf einer abschüssigen Bahn, die vielfach in der Obdachlosigkeit endet.

Nach einem Bericht der Osnabrücker Zeitung vom 1.8.2013 ist die Zahl der Obdachlosen, gemeint sind wohl die Wohnungslosen, in Deutschland 2012 auf 284.000 angestiegen. Das entspricht nach Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe einem Zuwachs von 15 Prozent gegenüber 2010. Wesentlicher Grund seien steigende Mieten. Man geht von einem weiteren Anstieg der Wohnungslosen in den nächsten Jahren aus. 2016 könnten demnach 380.000 Menschen in Deutschland wohnungslos sein. Unter Wohnungslosen werden solche verstanden, die mietvertraglich nicht abgesichert sind und in Notunterkünften, Wohnheimen oder bei Freunden oder Verwandten für eine Zeit Unterschlupf gefunden haben.

Obdachlose sind noch eine Stufe tiefer gerutscht. Ohne ein festes Dach über dem Kopf leben und schlafen sie im Freien, in Abbruchhäusern oder sonstigen wechselnden Schlafstellen, sind also ohne festen Wohnsitz. Es sind diejenigen, die vollkommen aus der Gesellschaft herausgefallen oder herausgestoßen sind, für die kein Stück Erde mehr übrig gelassen ist. Ihre Zahl sei von 22.000 auf 24.000 gestiegen. Sie seien aber nur die sichtbare „Spitze des Eisbergs“. Denn eine offizielle Statistik gibt es nicht. http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/6446/immer-mehr-obdachlose-in-deutschland

Konsequenzen

Die geschilderten Verhältnisse schreien für jeden, der nicht in Dumpfheit oder blindem Egoismus gefangen ist, nach Veränderung. Der Grund und Boden gehört einer ganz anderen Kategorie an als Waren, die durch menschliche Tätigkeit immer wieder produziert werden können. Mit einem Grundstück wird keine Ware verkauft, sondern das Recht, dieses Grundstück ausschließlich zu benutzen. Dieses Recht löst ganz anders geartete Beziehungen zwischen Menschen aus, als das Verhältnis zu einer Ware. Der Eigentümer eines Grundstücks

bringt andere Menschen, die zu ihrem Lebensunterhalt von ihm zur Arbeit auf diesem Grundstück angestellt werden, oder die darauf wohnen müssen, in Abhängigkeit von sich. Dadurch dass man gegenseitig wirkliche Waren tauscht, die man produziert oder konsumiert, stellt sich eine Abhängigkeit nicht ein, welche in derselben Art zwischen Mensch und Mensch wirkt“ (Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der sozialen Frage, Dornach 1961, S. 71, 72).

Der reine Warentausch verläuft völlig unabhängig von den sonstigen Rechtsbeziehungen zwischen den Menschen. Sowie aber ein Recht (hier auf die alleinige Benutzung eines Grundstücks) gegen Waren bzw. ihre monetäre Repräsentanz getauscht wird, greift dieses Recht über die Tauschenden hinaus auf die Rechtsverhältnisse mit anderen Menschen über. Ein Grundstück darf nicht wie eine Ware verkauft werden.

Wie sind denn die Rechte auf die unbeschränkte Verfügung über Grund und Boden historisch entstanden? Ausgangspunkt waren ja nicht irgendwelche volkswirtschaftlichen Verhältnisse,  sondern militärische, politische Eroberungen oder rein praktische Inbesitznahmen, also Macht. Durch Macht haben sich Menschen des Bodens bemächtigt, und die Führenden haben ihren Getreuen davon in Form von Lehen, Pacht oder dauerndem Besitz abgegeben. Aus der Macht wurden Rechte abgeleitet, Rechte auf Grund und Boden. Woher haben die heutigen Adligen ihre zum Teil noch großen Ländereien? Aus der einstigen, aus irgendwelchen Machtverhältnissen ihrer Vorfahren herrührenden Rechtsansprüche. Die Verhältnisse werden einfach nur unbewusst fortgesetzt.

„Es erben sich Gesetz und Rechte/ Wie eine ew´ge Krankheit fort;/ Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte/ Und rücken sacht von Ort zu Ort./ Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage “,

lässt Goethe in seinem „Faust“ den vermutlich teuflisch grinsenden Mephisto deklamieren.

In einer wahren Demokratie können die Bodenverhältnisse nur aus den unmittelbaren menschlichen Beziehungen einander gleichberechtigter Menschen heraus geregelt werden. Das schließt bevorrechtigendes Privateigentum Einzelner am Boden, das ein dauerhaftes alleiniges Verfügungsrecht über ein Grundstück bedeutet, grundsätzlich aus und folglich auch jeglichen Verkauf von Grundstücken. Der Boden muss in den Gesamtbesitz der jeweiligen politischen Rechtsgemeinschaft übergehen. Deren demokratisch legitimierten Organe hätten dann in allen Nutzungsfeldern, wie den baulichen, landwirtschaftlichen, gewerblichen, industriellen, bergbaulichen und kulturellen, nach den Vorgaben jeweiliger Sachverständigengremien im Einzelnen die Verteilung des Bodens zur zeitlich begrenzten Nutzung vorzunehmen.

Damit würden der Boden und die darauf errichteten Gebäude, die bisher ein ungetrenntes Eigentum bilden, rechtlich getrennte Wege gehen, so wie es heute schon beim Erbbaurecht der Fall ist. Denn Gebäude sind natürlich vom Menschen produzierte Gebrauchsgegenstände, an denen nach wie vor sein Eigentumsrecht berechtigt ist. Anzustreben wäre, dass jeder Mensch einen Teil des gemeinsamen Bodens für ein Wohneigentum nutzen kann. Solange noch Mietwohnungen benötigt werden, müsste dafür gesorgt werden, dass Mieter nicht in die gleiche Abhängigkeit geraten, wie es heute gegenüber den Grundstückseigentümern der Fall ist. Denn die damit verbundene Möglichkeit, andere Menschen für sich arbeiten zu lassen, ist es ja gerade, die durch die neue Bodenordnung überwunden werden muss.

Wenn die Notwendigkeit dieses grundsätzlichen Richtungswechsels der Bodenordnung eingesehen wird, das soziale Gewissen erwacht und den Willen zur Veränderung ergreift, werden sich die Dinge aus den praktischen Erfordernissen bis in alle Einzelheiten regeln und alle auftretenden Schwierigkeiten überwinden lassen.