Analyse des GEAB

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Umfassende weltweite Krise – 2012: Das Jahr der Zeitenwende in den internationalen Machtverhältnissen

- Pressemitteilung des GEAB vom Januar 2012 (GEAB N°61) -




GEAB N°61 ist angekommen! Umfassende weltweite Krise – 2012: Das Jahr der Zeitenwende in den internationalen Machtverhältnissen


Mit dieser 61. Ausgabe des GEAB jährt es sich nun zum sechsten Mal, dass die Mitarbeiter von LEAP/E2020 mit ihren Abonnenten und Lesern seines monatlichen Informationsbriefs ihre Vorhersagen über die Entwicklung der umfassenden weltweiten Krise teilen. Und zum ersten Mal in diesen vergangenen Jahren sagen wir in dieser Januarausgabe, die eine Übersicht über unsere Vorhersagen für dieses Jahr enthält, ein Jahr voraus, in dem sich die Krise nicht einfach weiter verstärken wird, sondern auch die ersten Elemente der „Welt von Morgen“, um den Ausdruck von Franck Biancheri in seinem Buch « Nach der Krise – Auf dem Weg in die Welt von Morgen » zu verwenden, sich herauskristallisieren.

Nach unserer Auffassung wird 2012 das Jahr der Zeitenwende in den globalen Machtverhältnissen sein. Dies wird natürlich mit großen Schwierigkeiten für viele Länder auf dieser Erde einhergehen. Aber es ermöglicht auch die Entstehung von neuen geopolitischen Bedingungen, die zu einer Überwindung der Krise in den nächsten Jahren beitragen können. Im Gegensatz zu den Jahren, die hinter uns liegen, wird 2012 kein verschwendetes Jahr sein, in dem es den Mächtigen der „Welt vor der Krise“ mangels Mut, Initiative und Phantasie der Regierenden und der Passivität der Menschen weltweit gelungen ist, notwendige Entwicklungen zu verhindern.



Wir haben das Jahr 2011 das Jahr genannt, das keine Gnade kennt. Denn in seinem Verlauf würden die Illusionen all derer verpuffen, die glaubten, dass die Krise unter Kontrolle wäre und dass sie bald wieder wie vor der Krise in aller Ruhe ihren „Geschäften“ nachgehen könnten, als ob nichts gewesen wäre. Und 2011 war ohne Gnade für viele Politiker, für die Finanzindustrie, für Investoren, für die Schulden der westlichen Staaten, für das globale Wachstum, für die US- Wirtschaft und für das Governance- Vakuum in Euroland. Die, die sich für unangreifbar oder unersetzbar hielten, haben in brutaler Weise erkennen müssen, dass die Krise nichts und niemanden verschont. Diese Tendenz wird sich natürlich 2012 fortsetzen, denn die Krise hat ja nicht am 1. Januar den guten Vorsatz gefasst, nun endlich mit ihrem Wüten aufzuhören. Die letzten, die bisher noch (weitgehend) verschont blieben, werden es zu spüren bekommen: USA, Großbritannien, Dollar, US-Staatsanleihen, die Regierenden in Russland und China usw (1). Aber 2012 und insbesondere seine zweite Hälfte wird auch das Jahr sein, in dem die Kräfte und Akteure auf den Plan treten, die 2013 und in den folgenden Jahren den Aufbau eines neuen internationalen Systems in Angriff nehmen, in dem die Hoffnungen der Menschen und die Machtverhältnisse des 21. Jahrhunderts verkörpert sind, und nicht die internationalen Verhältnisse der ersten Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Insofern wird 2012 das Jahr des Übergangs zwischen der Welt von Gestern, der Welt vor der Krise, und der Welt von Morgen. Es wird ein Jahr einer Zeitenwende sein, in dem das Schlimmste und das Beste aufeinander treffen werden (2).

Aber dennoch wird es nach unserer Auffassung das ersten Jahr seit 2006 sein, in dem wichtige Weichen gestellt werden, die uns auf einen Weg in eine bessere Zukunft führen (3).

Wir präsentieren übrigens in dieser 61. Ausgabe des GEAB die 35. Themen/Ereignisse, die nach unserer Auffassung das Jahr 2012 prägen werden. Sie fungieren gleichzeitig auch als Empfehlungen. Es sind 20 Themen, die 2012 unsere volle Aufmerksamkeit beanspruchen werden, und 15 Themen, die in den Hintergrund treten werden. Diese Aufzählung wird den Lesern also ganz konkret helfen, sich auf das folgende Jahr vorzubereiten. Damit wird auch Zeit gespart, die man sonst für Lektüre von Artikeln über Ereignisse und Themen verwenden würde, die schon nicht mehr auf die großen Trends wirken, und Zeit gewonnen für das Studium von Themen, die morgen im Zentrum der Entwicklungen stehen werden. Es geht darum zu vermeiden, von den Entwicklungen der nächsten Monate überrascht zu werden. Das soll das Ziel der Liste von 35 Mal „rauf unter runter“ im Jahr 2012 sein. Da die Vorhersagen seit sechs Jahren eine Erfolgsquote von zwischen 75% und 85% aufweisen, ist diese jährliche Vorhersagenübersicht sicherlich ein besonders nützliches Entscheidungshilfsmittel für die nächsten zwölf Monate.

Darüber hinaus analysieren wir in dieser Ausgabe des GEAB in aller Gründlichkeit das Wesen und die Folgen eines möglichen QE3, das die amerikanische Zentralbank 2012 auflegen könnte (4). Die einen hoffen darauf, die anderen fürchten es; aber es wird allgemein als letzte Waffe gegen die Pleite der US- Wirtschaft und des amerikanischen Finanzsystems präsentiert, deren Grunddaten, im Gegensatz zu dem, was die herrschende Meinung in den letzten Wochen verbreitet hat, sich weiterhin verschlechtern (5).






Entwicklung der US-Staatsanleihen im Besitz der Primary Dealers nach Fälligkeit geordnet (Dezember 2010 bis Oktober 2011 (grau: Anleihen fällig in weniger als einem Jahr / rot: weniger als drei Jahre / grün: von drei bis sechs Jahre / violette: sechs bis elf Jahre / blau: elf Jahre und mehr) - Quelle: Zerohedge, 10/2011

Entwicklung der US-Staatsanleihen im Besitz der Primary Dealers nach Fälligkeit geordnet (Dezember 2010 bis Oktober 2011 (grau: Anleihen fällig in weniger als einem Jahr / rot: weniger als drei Jahre / grün: von drei bis sechs Jahre / violette: sechs bis elf Jahre / blau: elf Jahre und mehr) - Quelle: Zerohedge, 10/2011



Und QE3 wird eine entscheidende Rolle in der geopolitischen Zeitenwende des Jahres 2012 spielen, denn in diesem Jahr werden die großen Mächte der Welt vor der Krise ihre letzten Anstrengungen unternehmen, ihre globale Macht in Wirtschaft, Finanzindustrie und Außenpolitik zu bewahren. Wir sagen ganz bewusst „letzte“ Anstrengungen, denn nach 2012 wird ihre Macht zu sehr geschwächt sein, um noch den Anspruch auf eine herausgehobene Stellung in der Weltgemeinschaft beanspruchen zu können. Die gerade erfolgte Herabstufung der meisten Euroländer durch S&P ist eine typisches Beispiel für die letzten verzweifelten Versuche der bisher dominierenden Mächte. Die USA und Großbritannien sind in ihrem unstillbaren Hunger nach ständig neuem Geld (6) in einer so verzweifelten Lage, dass sie, aufgehetzt von Wall Street und der City, einen Finanzkrieg mit ihren letzten Verbündeten vom Zaun gebrochen haben. Außenpolitisch kommt das Selbstmord gleich, denn dadurch ist Euroland gezwungen, Schutz in einer verstärkten Integration zu suchen und sich von den USA und Großbritannien zu emanzipieren. Und die überwiegende Zahl der Politiker und Menschen in Euroland hat endlich erkannt, dass die Verbündeten jenseits des Ärmelkanals und des Atlantiks gegen sie einen Krieg führen (7). Zu diesem Thema wird LEAP/E2020 in der folgenden Ausgabe des GEAB, die am 15. Februar 2012 erscheinen wird, seine Antizipationen unter dem Titel „Europa 2012 bis 2016“ vorstellen.





Verteilung der Schulden in den westlichen Staaten (2011) (hellblau: Schulden der privaten Wirtschaft ohne Finanzdienstleistungen / grün: Schulden des Finanzsektors/ orange: Staatsschulden / dunkelblau: Schulden der Privathaushalte) - Quellen: Haver analytics / Morgan Stanley, 01/2012

Verteilung der Schulden in den westlichen Staaten (2011) (hellblau: Schulden der privaten Wirtschaft ohne Finanzdienstleistungen / grün: Schulden des Finanzsektors/ orange: Staatsschulden / dunkelblau: Schulden der Privathaushalte) - Quellen: Haver analytics / Morgan Stanley, 01/2012



Entsprechend sind auch die Versuche einzuordnen, mit China einen „Kleinen Kalten Krieg“ vom Zaun zu brechen oder den Iran zu einer Blockade der Meerenge von Hormus zu provozieren (8). Wir werden darauf noch im Einzelnen in dieser Ausgabe des GEAB zurück kommen.

Die Zeitenwende 2012 ist auch die der Duldsamkeit der Menschen. Denn 2012 wird das Jahr der Wutbürger werden. Es ist das Jahr, in denen sie in Massen auf die Bühne der umfassenden weltweiten Krise drängen. 2011 fand nur das Aufwärmen statt, wo einige Vorreiter Methoden und Strategien ausprobiert haben. 2012 werden die Menschen zeigen, dass sie die maßgeblichen Motoren der großen Umbrüche dieses Zeitenwendejahres sind. Diese Umbrüche werden zum einen aktiv durchgesetzt werden, also an den Wahlurnen, wie z.B. in Frankreich, wo Sarkozy aus dem Präsidentenpalast vertrieben werden wird (9), oder durch Massendemonstrationen (USA, Arabische Staaten, Großbritannien, Russland); zum anderen wird es ausreichen, dass die Unzufriedenheit der Menschen mit ihrer politischen Führung ein so spürbares Niveau erreicht, dass die Politiker aus Angst vor Revolten und Unruhen präventiv handeln, um einen größeren politischen Schock zu vermeiden (wie es der Fall in China (10) oder in einigen europäischen Ländern der Fall sein wird). Auch wenn die Eliten in den betroffenen Ländern das nicht glauben werden und wollen: Das ist eine nützliche und notwendige Entwicklung, denn nichts Grundlegendes und Dauerhaftes kann sich aus dieser Krise entwickeln, wenn die Menschen sich nicht einbringen (11).

Eine Zeitenwende wird 2012 auch für die Banken und Finanzinstitutionen der westlichen Staaten sein, deren Macht- und Einflussverlust sich beschleunigen wird. Wir beschreiben hier nur die Wirklichkeit, im Gegensatz zu der herrschenden veröffentlichten Meinung, die vergessen hat, dass der Sternenhimmel, den wir bewundern, nur das Bild eine Vergangenheit ist, die schon lange verschwunden ist. Die Krise bringt eine derartige Beschleunigung der Geschichte, so dass viele immer noch nicht verstanden haben, dass die Macht der Banken, vor denen sie Angst haben, die ist, über die sie vor 2008 verfügten. Dies ist ein Thema, das wir in dieser Ausgabe des GEAB noch näher erörtern werden. Auch 2012 werden die Investoren ihr Geld aus den Aktienmärkten und Finanzprodukten, insbesondere in den USA, abziehen (12).




Vergleichende Entwicklung des BIP der Industriestaaten und ihrer öffentlichen Schulden (1991-2011)  (grau: BIP / rot: Staatsschulden) - Quelle: Spiegel, 01/2012

Vergleichende Entwicklung des BIP der Industriestaaten und ihrer öffentlichen Schulden (1991-2011) (grau: BIP / rot: Staatsschulden) - Quelle: Spiegel, 01/2012



Und eine Zeitenwende gibt es auch in der internationalen Rolle der BRICS, die nach fünf Jahren, in denen sie sich gesucht und als Akteure auf der Weltbühne etabliert haben, nun intensiv ihren Einfluss in den internationalen Entscheidungsprozessen zur Geltung bringen (13). Sie sind ohne jeden Zweifel die entscheidenden Betreiber des Aufbaus einer neuen Weltordnung, bei der Schaffung der Welt nach der Krise; ein Akteur der internationalen Beziehungen, der im Gegensatz zu den USA und Großbritannien sehr wohl weiß, dass es auch seinen Interessen entspricht, Euroland zu helfen, diese Krise zu überstehen (14).

Wenn Ende 2012 Euroland sich institutionalisiert haben wird und über eine solide Governance verfügt, wird sich die erste Möglichkeit bieten, die Grundlagen der Welt von Morgen zu legen, die ihre Wurzeln nicht mehr in der Nachkriegszeit geschlagen hat. Es ist wieder eine Ironie der Geschichte, dass wohl der G20-Gipfel von Moskau 2013, der erste, der außerhalb der westlichen Welt organisiert wird, die internationale Konferenz sein wird, die Hoffnungen, die in der zweiten Jahreshälfte 2012 entstehen konnten, konkretisieren wird.