Der Wirtschaftskrieg zwischen USA, Europa und Iran

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Mit einem Federstrich setzte US-Präsident Barack Obama eine Regelung ein, die darauf abzielt, die täglich exportierten 2,5 Millionen Barrel Öl des Iran aus dem globalen Markt herauszunehmen. Den tatsächlichen Schaden fügt sich jedoch allein der Westen zu, so der Investigativjournalist Pepe Escobar.

Von Pepe Escobar, Übersetzung Lars Schall

Der 1954 geborene Pepe Escobar aus Sao Paulo, Brasilien ist einer der herausragendsten Journalisten unserer Zeit. Escobar, der vom früheren CIA-Analysten Ray McGovern schlichtweg “der Beste“ genannt wird, arbeitet für die Asia Times und ist ein Analyst von The Real News. Darüber hinaus ist er der Autor dreier Bücher: Globalistan: How the Globalized World is Dissolving into Liquid War, Red Zone Blues: a snapshot of Baghdad during the surge und Obama does Globalistan.

Er hat von verschiedenen Ländern und Konflikten berichtet, darunter Afghanistan, Pakistan, Irak, Iran, Zentralasien, U.S.A. und China. Für Asia Times Online ist er als ‘The Roving Eye’, das heißt: “Das Wandernde Auge“ unterwegs, um vor allem geopolitische Weltereignisse, aber auch die Art, wie sie in den Medien präsentiert werden, zu diskutieren. Diese Kolumne übersetzen wir mit freundlicher und ausdrücklicher Autorisierung von Pepe Escobar exklusiv für LarsSchall.com ins Deutsche.

Darüber hinaus möchten wir als Ergänzung auf dieses Interview mit Pepe Escobar hinweisen:

Shifting Ground for Vital Resources

http://www.larsschall.com/2011/12/27/shifting-ground-for-vital-resources/.

Heute wird übrigens im Zusammenhang des nachfolgenden Artikels, der gestern im Original auf Asia Times erschien, dieses gemeldet:

Iran, Russia Replace Dollar with National Currencies in Trade Exchanges

From Fars News Agency, Tehran
Saturday, July 7, 2012

http://english.farsnews.com/newstext.php?nn=9007275648

TEHRAN — Iran and Russia have replaced the U.S. dollar with their own currencies in their trade ties, a senior Iranian diplomat announced on Saturday.

Speaking to FNA, Tehran’s ambassador to Moscow, Seyed Reza Sajjadi said that the proposal for replacing the dollar with the ruble and rial was raised by Russian President Dmitry Medvedev in a meeting with his Iranian counterpart, Mahmoud Ahmadinejad, in Astana on the sidelines of the Shanghai Cooperation Organization meeting.

“Since then we have acted on this basis and a part of our interactions is done in ruble now,” Sajjadi stated, adding that many Iranian traders are using the ruble for their trade deals.

DAS WANDERNDE AUGE
Der Wirtschaftskrieg zwischen USA, Europa und Iran
von Pepe Escobar

Hier ist ein Crash-Kurs, über den die Weltwirtschaft noch weiter zugrunde gerichtet werden kann.

Ein wichtiger Anhang des “National Defense Authorization Act“, der von US-Präsident Barack Obama am letzten Tag des Jahres 2011 unterzeichnet wurde – als niemand aufgepasst hat -, verhängt Sanktionen über alle Länder oder Unternehmen, die iranisches Öl kaufen und dieses  durch die Zentralbank des Iran bezahlen. Ab diesem Sommer wird jeder, der dieses tut, daran gehindert, Geschäfte mit den USA zu machen.

Diese Änderung – für alle praktischen Zwecke eine Erklärung des wirtschaftlichen Kriegs – wurde Ihnen vom American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) gebracht, auf direkte Order der israelischen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin “Bibi” Netanjahu.

Ein Sturzbach an Spin hat versucht, dies als den Plan B der Obama-Regierung als Gegensatz dazu zu rationalisieren, dass man die israelischen Hunde des Krieges einen unilateralen Angriff auf den Iran wegen dessen angeblichen Atomwaffenprogramm führen lässt.

Die ursprüngliche israelische Strategie war jedoch tatsächlich noch hysterischer, und zwar eine wirkungsvolle Verhinderung, dass irgendein Land oder ein Unternehmen für importiertes iranisches Öl zahlen könne, mit der möglichen Ausnahme von China und Indien. Oben drauf versuchten die amerikanischen Israel-Zuerst-Vertreter jeden davon zu überzeugen, dass dies nicht in gnadenlosen Ölpreisanstiegen resultieren würde.

Abermals eine unvergleichliche Fähigkeit zeigend, sich in ihre Ferragamo-bekleideten Füße zu schießen, debattieren die Regierungen in der Europäischen Union (EU), ob sie kein Öl mehr aus dem Iran kaufen sollen. Der wesentliche Zweifel ist: sollen wir jetzt damit beginnen oder ein paar Monate zuwarten. So zwangsläufig wie der Tod und die Steuern war das Ergebnis – was sonst -, dass die Ölpreise rasant anstiegen. Rohöl der Sorte Brent schwebt jetzt bei rund $114, und der einzige Weg geht gen oben.

Der Iran ist der zweitgrößte Produzent der Organisation Erdöl exportierender Länder (Organization for Petroleum Exporting Countries, OPEC); er führt bis zu 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag aus. Rund 450.000 dieser Barrel gehen in die Europäische Union – der zweitgrößte Markt für den Iran nach China.

Der erforderliche gesichtslose Bürokrat, der EU-Kommissar für Energie Günther Öttinger, unternahm den Spin, dass die EU auf Saudi-Arabien zählen könne, um den Fehlbetrag aus dem Iran wettzumachen.

Jeder sich selbst-respektierende Ölanalyst weiß, dass Saudi-Arabien nicht über alle notwendigen zusätzlichen freien Kapazitäten verfügt. (1) Darüber hinaus, und das ist entscheidend, muss Saudi-Arabien eine Menge Geld aus teurem Öl machen. Immerhin benötigt das konterrevolutionäre Haus Saud diese Geldmittel dringend, um seine Untertanen davon abzuhalten, einen einheimischen arabischen Frühling zu starten.

Fügen Sie dem die Drohung von Teheran hinzu, die Straße von Hormuz zu blockieren und somit zu verhindern, dass ein Sechstel des weltweiten Öls und 70% der OPEC-Exporte auf den Markt kommen, dann nimmt es nicht wunder, dass sich die Ölhändler überschlagen, um soviel Rohöl zu sperren wie sie nur können.

Vergessen Sie Öl zu einem erschwinglichen Preis von $ 50 oder sogar $ 75 pro Barrel. Der Ölpreis könnte bald dazu bestimmt sein, einen Preis von $ 120 pro Barrel und sogar $ 150 pro Barrel bis zum Sommer zu erreichen, wie im Krisenjahr 2008. Übrigens pumpt die OPEC mehr Öl als zu irgendeinem Zeitpunkt seit Ende 2008.

Was also als ein israelisch-ausgeheckter Straßenrand-Sprengkörper begann, ist inzwischen zu einer multiplen wirtschaftlichen Selbstmordanschlagsbombe geworden, die auf ganze Abschnitte der Weltwirtschaft ausgerichtet ist.

Kein Wunder, dass der Vorsitzende der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik des iranischen Parlaments, Ala’eddin Broujerdi, davor gewarnt hat, dass der Westen möglicherweise einen “strategischen Fehler” mit diesen Öl-Sanktionen begeht.

Übersetzung: wie es aussieht, lautet der Name des Spiels für das Jahr 2012 “tiefe globale Rezession“.

Zunächst sickerte aus Washington durch, dass Sanktionen gegen die iranische Zentralbank “nicht auf dem Tisch” seien. Schließlich wusste die Obama-Regierung selbst, dass sich dies in einen Ölpreisanstieg und ein zertifiziertes Ein-Weg-Ticket zu mehr globaler Rezession übersetzen würde. Das iranische Regime würde überdies mehr Geld aus seinen Ölexporten machen.

Trotzdem hatte die Bibi-AIPAC-Combo keine Probleme damit, den Anhang durch das Israel-Zuerst-Mekka, den US-Senat und den US-Kongress, zu erzwingen, obwohl US-Finanzminister Tim Geithner ausdrücklich dagegen war.

Der Anhang, der gerade verabschiedet wurde, wird möglicherweise nicht die “lähmenden Sanktionen” bewirken, die von der israelischen Regierung lautstark gefordert wurden. Teheran wird den Engpass zu spüren bekommen – aber nicht auf einem unerträglichen Niveau. Doch nur jene verantwortungslosen Leute im US-Kongress – die laut einer beliebigen Anzahl von Umfragen von der überwältigenden Mehrheit der Amerikaner verachtet werden –, können daran glauben, sie könnten die täglich exportierten 2,5 Millionen Barrel Öl des Iran aus dem globalen Markt herausnehmen, ohne dass es zu drastischen Konsequenzen für die globale Wirtschaft kommt.

Asien braucht zunehmend mehr Öl – und wird auch weiterhin Öl aus dem Iran kaufen. Und die Ölpreise werden fortfahren mit der Stratosphäre zu flirten.

Warum also hat Obama unterschrieben? Für die Obama-Regierung geht alles nunmehr nur noch ums Wahl-Kalkül. Die Spinner des republikanischen Präsidentschaftskandidaten-Zirkus – mit der rühmlichen Ausnahme von Ron Paul – werden für den Krieg gegen den Iran ab dem Moment, da sie gewählt sind, hausieren gehen, und wesentliche Teile der amerikanischen Wählerschaft sind ratlos genug, um ihn den abzukaufen.

Niemand stellt jedoch die grundlegende Rechnung auf, um den Schluss zu ziehen, dass die amerikanischen und europäischen Volkswirtschaften sicherlich keine Ölpreise gebrauchen können, die mit der $120-Ebene flirten, wenn eine minimale Erholung in den Karten stecken soll.

Abgesehen von diesem selbstzerstörerischen, sich in der Krise befindlichen Euro/NATO-Haufen wird jeder diese israelisch-amerikanische Erklärung des wirtschaftlichen Kriegs  umgehen. Russland hat bereits gesagt, dass es sie umgehen werde. Indien zahlt für das iranische Öl bereits über die Halkbank in der Türkei. Der Iran verhandelt aktiv, um mehr Öl an China zu verkaufen. Iran ist der  zweitgrößte Anbieter Chinas, nur hinter Saudi-Arabien zurückliegend.

China zahlt in Euro, und bald vielleicht in Yuan. Bis März werden beide eine Vereinbarung über die neue Preisstruktur besiegelt haben. Venezuela kontrolliert eine bi-nationale Bank mit dem Iran seit 2009 – das ist der Weg, über den der Iran für seine Geschäfte in Lateinamerika bezahlt wird. Selbst traditionelle Verbündete der USA wollen raus. Die Türkei – die rund 30% ihres Öls aus dem Iran importiert – wird versuchen, dass der türkische Ölimporteur Tupras von den US-Sanktionen befreit wird. Und Südkorea wird das ebenfalls versuchen, um rund 200.000 Barrel pro Tag – 10% seines Öls – aus dem Iran im Jahr 2012 kaufen zu können.

China, Indien, Südkorea, sie alle haben komplexen Zwei-Wege-Handelsbeziehungen mit dem Iran. Der chinesisch-iranische Handel beträgt beispielsweise $30 Milliarden im Jahr, Tendenz steigend. Nichts davon wird ausgelöscht werden, bloß weil die Washington/Tel Aviv-Achse es so sagt. Demnach sollte man die Einrichtung einer ganzen Reihe von neuen privaten Banken überall in den Entwicklungsländern für den Zweck des Kaufs iranisches Öl erwarten.

Washington würde nicht den Mumm besitzen, um zu versuchen, Sanktionen gegen chinesische Banken zu verhängen, weil sie mit dem Iran zu tun haben.

Auf der anderen Seite muss man Teherans Mumm loben. Nach einem gnadenlosen Feldzug  verdeckter Morde, Entführungen von iranischen Wissenschaftlern, grenzüberschreitenden Angriffen in der Sistan-Belutschistan-Provinz, israelischer Sabotage der Infrastruktur mit Viren und anderem, der Invasion des Territoriums durch US-amerikanische Spionage-Drohnen, Non-Stop-Drohungen  von Israelis und US-Republikanern einer unmittelbar bevorstehenden “Shock and Awe”-Aktion, und dem Verkauf von Waffen im Wert von $ 60 Milliarden der USA an Saudi-Arabien, kriecht Teheran immer noch nicht zu Kreuze.

Teheran hat gerade – mit Erfolg – seine eigenen Marschflugkörper getestet, und vor allem in der Straße von Hormuz. Wenn Teheran auf das aggressive Non-Stop-Trommelfeuer des Westens reagiert, wird es für “Provokationen” verantwortlich gemacht.

Am vergangenen Freitag war die New York Times-Redaktion total verliebt in die Drohungen des Pentagon gegen den Iran – und forderte zudem “maximalen wirtschaftlichen Druck”.

Die Quintessenz ist, dass die durchschnittlichen Iraner leiden werden – wie auch durchschnittliche, von der Krise betroffene, verschuldete Europäer leiden werden. Die US-Wirtschaft wird leiden. Und wann immer es denkt, dass der Westen zu hysterisch wird, wird Teheran sich das Recht vorbehalten, die Ölpreise gen Himmel schießen zu lassen.

Das Regime in Teheran wird weiterhin Öl verkaufen, Uran anreichern – und vor allem wird es nicht stürzen. Wie eine Hellfire-Rakete, die in eine paschtunische Hochzeitsgesellschaft knallt, werden diese westlichen Sanktionen kläglich scheitern. Aber nicht ohne eine Menge Kollateralschäden anzusammeln – im Westen selbst.

Anmerkung des Übersetzers:

(1) Siehe zum Thema der “freien Kapazität“ / Saudi-Arabien beispielsweise Lars Schall: „Die schwelenden politischen Risiken sind nicht vollständig im Öl-Preis diskontiert”, Interview mit Ronald Stöferle, veröffentlicht auf LarsSchall.com am 17. März 2011 unter:

http://www.larsschall.com/2011/03/17/%E2%80%9Edie-schwelenden-politischen-risiken-sind-nicht-vollstandig-im-ol-preis-diskontiert/

Ferner Lars Schall: “Wir sind inmitten einer epochalen tektonischen Verschiebung” – Teil 1, Interview mit F. William Engdahl, veröffentlicht auf LarsSchall.com am 27. März 2011 unter:

http://www.larsschall.com/2011/03/27/wir-sind-inmitten-einer-epochalen-tektonischen-verschiebung-%E2%80%93-teil-1/

Und Lars Schall: “Geld treibt alles an”, Interview mit Maarten van Mourik,  veröffentlicht auf LarsSchall.com am 11. Dezember  2011 unter:

http://www.larsschall.com/2011/12/11/geld-treibt-alles-an/