UNO – Die Mavi Marmara Passagiere wurden hingerichtet

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Der Bericht des Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHVHR) über den Angriff des Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für Gaza durch israelische Soldaten, der vergangene Woche veröffentlicht wurde, kommt zum Ergebnis, sechs der neun Getöteten wurden aus nächster Nähe hingerichtet, obwohl sie keine Gefahr darstellten. Sie wurden mit mehreren Schüssen in den Oberkörper, Hals und in den Kopf getötet. Der 19-jährige US-Staatsbürger Furkan Doğan (Bild links) türkischer Herkunft, der mit seiner Videokamera den Überfall filmte, wurde sogar aus kürzester Distanz ins Gesicht geschossen, als er am Boden lag.

Hier Auszüge des Berichts:

Ab Seite 30, Bericht des Pathologen:

Furkan Doğan, ein Neunzehntjähriger mit doppelter türkischer und amerikanischer Staatsbürgerschaft, war in der Mitte des Oberdecks und filmte mit einer kleinen Videokamera, als er zum ersten Mal durch Kugeln getroffen wurde. Es sieht aus wie wenn er bei Bewusstsein oder halb Bewusstlos für einige Zeit an Deck lag. Insgesamt wurde Furkan durch fünf Schüsse getroffen, im Gesicht, Kopf, Rücken, Hals, linkem Bein und Fuss. Alle Eintrittswunden waren auf der Hinterseite seines Körpers, bis auf die Gesichtswunde, wo die Kugel rechts neben der Nase eindrang. Laut forensischer Analyse zeigen Tätowierungen rund um die Wunde im Gesicht, der Schuss wurde aus unmittelbarer Nähe abgefeuert. Weiter zeigt die Geschossbahn, von oben nach unten, zusammen mit lebensbedrohender Verletzung an der linken Schulter, was einem Schussaustritt entspricht, dass der Schuss abgefeuert wurde als er am Boden auf dem Rücken lag.

İbrahim Bilgen (60) wurde am Oberkörper getroffen, dann auf der rechten Seite des Rückens, rechten Oberschenkel, beide von hinten. Dann wurde er von einer „baton round“ am Kopf aus nächster Nähe getroffen und die ganze Ladung durchschlug den Schädel und blieb im Gehirn stecken, was bedeutet, er wurde am Boden liegend erschossen.

Fahri Yaldiz (42) wurde von fünf Kugeln getroffen, im Oberkörper, linkes Bein und drei im rechten Bein. Die tödliche Kugel drang neben der linken Brustwarze ein, traf das Herz und die Lunge und kam an der Schulter heraus. Er war sofort tot.

Ali Heyder Bengi (38) wurde von sechs Kugeln getroffen, eine im Oberkörper, im Bauch, im rechten Arm, im rechten Oberschenkel und zwei in die linke Hand. Seine Leber wurde verletzt und er verblutete. Laut Zeugen lag er verwundet an Deck und wurde in den Rücken geschossen.

Cevdet Kiliçlar (38) war Journalist und fotografierte die israelischen Soldaten als er durch einen Schuss genau zwischen den Augen getötet wurde.

Cengiz Akyüz (41) und Cengiz Songür (46) wurden durch mehrere Schüsse verwundet und als sie Schutz suchten wurde Akyüz in den Kopf geschossen. Bei Songür traf eine Kugel den Thorax, die dann ins Herz und in die Aorta drang. Beide waren sofort tot.

Çetin Topçuoğlu (54) half verwundeten Passagieren als er von drei Kugeln getroffen wurde. Eine drang in die Schädelbasis und kam vorne am Hals raus. Die zweite ging in den linken Oberschenkel und blieb im Becken stecken. Die dritte traf die rechte Bauchseite und kam am Rücken heraus. Die Schusswinkel deuten an, er lag kniend am Boden als ihn die Schüsse trafen.

Necdet Yildirim (31) wurde einmal in den Thorax von vorne und einmal von hinten erschossen.

Das sind die neun Ermordeten.

Uğur Suleyman Söylemez (46) liegt im Koma in der Intensivstation in einem Spital in Ankara mit einer schweren Schusswunde am Kopf.

Dazu wurden mehr 30 Passagiere verwundet, davon sind 20 in kritischen Zustand. Die 15 Ärzte, Schwestern und andere medizinisch ausgebildete Personen an Bord taten ihr Bestes, waren aber durch die Art der Wunden und Anzahl der Opfer überwältigt, denn die Betroffenen hätten eine sofortige Operation benötigt.

Ab Seite 38:

Die Kommission schreibt, die gut ausgebildeten israelischen Soldaten hätten in der Lage sein sollen, die kleine Gruppe an Passagieren, die nur mit Stöcken und Messern sich gegen den Überfall wehrten, unter Kontrolle zu halten, ohne jemanden zu töten oder zu verletzen.

Es ist offensichtlich, es gab keinen Versuch die Verletzungen zu minimieren. Und die Anwendung von Schusswaffen wurde in exzessiver und willkürlicher Weise vollzogen. Die Umstände der Tötung von mindestens sechs der Passagiere zeigen eine illegale, übertriebenen Weise, wie bei einer summarischen Hinrichtung.

Eine grosse Anzahl verletzter Passagiere wurde an Deck liegend misshandelt. Sie wurden für zwei bis drei Stunden nicht medizinisch versorgt, nach Beendigung der Operation. Die israelischen Soldaten haben keine klare Warnung vor Beginn der Schiesserei abgegeben, spätestens an Bord hätten sie es tun müssen.

Die Kommission kommt zu Ergebnis, die Gewalt welche die israelischen Soldaten an Bord der Mavi Marmara und aus den Helikoptern angewendet haben war unnötig, unverhältnismässig, überrissen und nicht der Situation angepasst und resultierte in die völlig vermeidbarer Tötung und Verletzung einer grossen Zahl an zivilen Passagieren.

An Hand der forensischen und ballistischen Beweise, können mindestens sechs der Tötungen als rechtlich unhaltbar, willkürlich und als summarische Exekutionen charakterisiert werden. Somit ist das Verhalten der israelischen Streitkräfte eine Verletzung des Rechts auf Leben und das Recht auf physische Unversehrtheit, so wie in Artikel 7 der internationalen Vereinbarung über zivile und politische Rechte festgeschrieben.

Ich empfehle jeden den ganzen Bericht zu lesen, er ist schockierend. Hier der Link zur PDF.

Da die Kommission die israelische Aufbringung des Schiffskonvoi als illegal betrachtet, war die Verhaftung der Passagiere an Bord auch illegal. Die Massenverhaftung von 700 Passagiere und Mannschaft an Bord der sechs Schiffe hat keine Rechtsgrundlage, war willkürlich und ist eine Verletzung des Artikel 9 der internationalen Vereinbarung über zivile und politische Rechte. Weiter wurde niemand an Bord informiert warum sie verhaftet wurden, was eine weitere Rechtsverletzung darstellt. Dann wurden die Passagiere stundenlang gequält, mussten mit Handschellen gefesselt und in kniender Position verharren, durften ihre Notdurft nicht verrichten. Es gibt keine Rechtfertigung für Folter und grausamer, menschenunwürdiger und erniedrigender Behandlung oder Bestrafung.

Dann wurden die Passagiere an Land gezwungen „Schuldgeständnisse“ zu unterschreiben, sie wären illegal nach Israel eingereist. Dies wurde aber von den meisten verweigert, denn die Passagiere sagten, sie wären ja unter Zwang nach Israel gebracht worden und nicht aus freien Willen. Sie bekamen kein rechtstaatliches Verfahren, mit Anhörung vor einem Richter und der Möglichkeit sich zu verteidigen. Während ihres Aufenthalt in Israel wurden sie Gewalt und Zwang ausgesetzt. Es wurden ihnen Ausweise, Geräte, Wertsachen und Bargeld gestohlen. 60 Journalisten haben deswegen vor der Europäischen Kommission um Intervention gebeten.

Und was haben sie verbrochen? Sie wollten drigend benötigte Hilfsgüter nach Gaza bringen, an 1,3 Millionen Menschen, die im grössten open-air Gefängnis der Welt sitzen. Wer das verhindert und verursacht ist der wirkliche Verbrecher. Wer das duldet, verharmlost oder schönredet ist ein menschenverachtendes Subjekt.

Die Kommission ist nicht alleine in ihrer Beurteilung, die Situation in Gaza ist erbärmlich. Sie ist unhaltbar. Sie ist nicht tolerierbar und nicht zu akzeptieren im 21. Jahrhundert. Es ist verwunderlich wie überhaupt jemand die Bedingungen unter denen die Menschen dort leben als akzeptabel bezeichnen kann und die grundlegendsten Bedürfnisse erfüllt. Die Parteien und die internationale Gemeinschaft sind aufgefordert eine Lösung zu finden, schreibt die Kommission.


Quelle: Alles Schall und Rauch