Wir wissen nicht wohin, aber wir gehen voran!

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“Wir wissen nicht wohin, aber wir gehen voran!” Jasmin Dorogi, die auf www.sein.de einen Erfahrungsbericht zum ersten “Occupy Berlin”-Tag gegeben hat, beschreibt ihre Eindrücke – ein Auszug: “Die Menschen sehnen sich nach einem Systemwechsel. Sie sehnen sich aus tiefstem Herzen nach Verbrüderung, einem Wandel in Frieden, einem Hinterfragen all der Verhaltens-, Lebens-, Konsum- und Denkmuster, die überholt sind und für uns nicht länger selbstverständlich sein dürfen. Sie motivierten in eindringlichen Worten ihre Mitmenschen zu einem umfassenden Umdenken - dazu,  den Teller in Frage zu stellen, anstatt nur über den Rand hinaus zu blicken, eine Erweiterung unseres Bewusstseins zuzulassen, eine Ablösung des Alten durch etwas völlig Neues.  Ohne das Herz geht es nicht mehr. 

Tief bewegt war ich durch überraschend viele Beiträge von zumeist sehr jungen Menschen, die längst begriffen haben, dass ein Wandel nicht durch politischen Widerstand und Gewalt erzeugt werden kann, sondern bei jedem Einzelnen beginnt, in jeder einzelnen Entscheidung, die wir jeden Tag treffen. Ein junger Mann drückte es wie folgt aus: „Ich bin ein Mensch. Ich habe nichts anderes außer mein Herz. Dort sitzt die unbegrenzte Macht für Veränderung. Nur mit Liebe werden wir die Dinge wandeln, die wir so oft mit allen Mitteln zuvor erfolglos bekämpft haben.”


Franz Hörmann, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, viel beachteter Systemkritiker und Vordenker, geht klar davon aus, dass die Gesellschaft in Zukunft nach dem Mehrheitsprinzip selbst entscheidet, wie sie leben will. Dies geschieht dann demokratisch in der Vernetzung. Hierarchische Strukturen würden nicht mehr funktionieren, weil die Personen an der Spitze das Wissen nicht mehr haben, auch weil sie von den Schichten darunter permanent belogen werden. Daher brechen momentan sämtliche hierarchische Systeme, ob das Regierungen, Staaten, Schulsysteme oder Unternehmen sind, zusammen, und die Menschheit vernetzt sich über das Internet auf der Ebene des “global brain” neu. Hier entstehen dann völlig neue Spielregeln.


Ob ein “finaler Zusammenbruch” des herrschenden Systems ohne Chaos, Gewalt und den Zusammenbruch der meisten Produktionsstrukturen und vor allem auch des Internet vor sich geht, hängt davon ab, wie die Bevölkerungsmehrheit diesen Zusammenbruch erlebt. Ob er von diesen Menschen tatsächlich als “Zusammenbruch” (also Crash im negativen Sinne) oder vielleicht sogar eher als positive Entwicklung im Sinne einer Befreiung der Individualität, Kreativität und Spiritualität erfahren werden kann. Es geht jetzt darum, den Menschen zu zeigen, dass Kooperation bessere Resultate bringt als Konkurrenz, die ihnen zugleich mehr Entscheidungsfreiheiten (z.B. im Bereich der Zeiteinteilung, Beschäftigungsinhalte, Gestaltung des sozialen und technischen Umfeldes etc.) zugestehen, so Prof. Hörmann. “Dann können wir tatsächlich die Chance in der Krise sehen und die längst überfällige Transformation der westlichen Gesellschaft vollziehen.”

Das ist der Hintergrund, warum hier für Kooperationen auf der Basis von Genossenschaften plädiert wird. Was einer alleine nicht schafft, schaffen viele gemeinsam. Jeder Mensch hat eine Stimme, egal ob er mit einem Anteil oder 100 Anteilen an der Genossenschaft beteiligt ist. Ob es um den Erwerb von Ackerland zur Versorgung der Mitglieder mit gesunden Lebensmitteln geht, den Aufbau einer umweltfreundlichen Energieversorgung  oder darum, preiswerten und gesunden Wohnraum zu schaffen. Es gibt keine Unternehmensform, die mehr Mitbestimmung und Transparenz bietet als die Genossenschaft. Am Anfang einer eG steht die Satzung, eine Art Verfassung. Ein Minimalkonsens, wie die Gemeinschaft miteinander leben und arbeiten, wie sie das Projekt aufbauen und betreiben will. Ist die Satzung mit etwas Glück an zwei Wochenenden geschrieben (gute Beispiele gibt es im Internet), wird es ca. 4000,- Euro kosten und ca. zwei Monate dauern, um die Genossenschaft durch den Gründungs- Prüfungs- und Anmeldeprozess zu führen. Wer sich stattdessen  an bestehenden Genossenschaften beteiligen will, ein Anteil z.B. bei Greenpeace-Energy, ist für 55,- Euro, bei der GLS Gemeinschaftsbank für 100,- Euro oder bei der TAZ (Tageszeitung eG)  für  500,- Euro zu haben. Und vielleicht schon bald wird die Zeitschrift SEIN ebenfalls eine Genossenschaft sein.


Occupy Freiburg trifft sich jetzt für ein offenes Forum - um friedlich für einen Wandel bzw. ein Umdenken in Wirtschaft und Gesellschaft einzutreten - mit Diskussionen und Meditation. das wöchentliche Treffen findet im Bursengang (Börsengang) am Donnerstag um 19.00 Uhr statt,

Quelle: www.sein.de