Zurück zur Menschlichkeit – Die vier noblen Gesetze des Zusammenlebens

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Bisweilen muß man sich schon wundern, wie wir Menschen miteinander umgehen. Da wird gestritten, geflucht und konkurriert. Es wird die eigene begrenzte Meinung zum Maß aller Dinge erhoben und – wenn nötig – mit Gewalt durchgesetzt. Wir sind eifersüchtig aufeinander und möchten uns beständig gegenseitig übertrumpfen. Selbst in Partnerschaften und Familien gelten dieselben »darwinistischen Verdrängungsregeln«. Dabei könnte alles ganz anders sein - wenn wir endlich menschlicher werden.

Seit Jahrzehnten veröffentlicht der Dalai Lama Bücher zum Thema Menschlichkeit. Er gibt Anregungen für ein neues, überkonfessionelles Weltbild, bei dem nicht mehr Ideologien und Religionen, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht. Und was könnte es Schöneres geben als eine Welt, die auf gegenseitigem Respekt, auf Verständnis und auf Mitgefühl aufgebaut ist?


Auf Solidarität und Nächstenliebe? Mit Papst Franziskus hat endlich auch die katholische Kirche einen Reformer, dem das Herz mehr gilt als der Kopf und die persönliche Machterhaltung. Doch obwohl das »Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst« eine urchristliche Lebensformel ist, wird diese nur allzuselten in die Praxis umgesetzt. Im Buddhismus finden wir, neben vielen philosophischen Weisheiten, auch sehr praktische Verhaltensre-geln, die unsere Gesellschaft grundlegend verändern könnten.
Unter anderem »die vier noblen Gesetze des harmo-nischen Zusammenlebens«: Universelle Liebe, Mitfühlen, Mitfreude und mentale Ausgeglichenheit sind die vollkommene Basis für eine menschlichere Form des Zu-sammenlebens und wirken sowohl in der Familie, als auch in Beruf und Gesellschaft wahre Wunder.

1. Universelle Liebe – statt Egozentrismus

Alles ist mit allem ver-bunden. Mit jedem Gedanken, jedem Wort und jeder Tat üben wir einen Einfluß aus auf die Welt, die uns umgibt. Wir sind Mitschöpfer im großen Spiel des Lebens, haben eine gewisse Macht, aber auch eine große Verantwortung. Denn wir selbst entscheiden, auf welche Art und Weise wir die Kräfte nützen, die uns zur Verfügung stehen. Tun wir es konstruktiv und bewußt? Sind wir demütig und achtsam? Oder handeln wir destruktiv und lieblos? Unterscheiden wir noch zwischen »Unseres-gleichen« und »den Anderen«? Lieben wir »alle« unsere Nächsten oder nur jene, die uns ähnlich sind? Ist unser Herz weit oder unser Horizont begrenzt? Sie wir Bisweilen muß man sich schon wundern, wie wir Menschen miteinander umgehen. Da wird gestritten, geflucht und konkurriert. Es wird die eigene begrenzte Meinung zum Maß aller Dinge erhoben und – wenn nötig – mit Gewalt durchgesetzt. Wir sind eifersüchtig aufeinander und möchten uns beständig gegenseitig übertrumpfen. Selbst in Partnerschaften und Familien gelten dieselben »darwinistischen Verdrängungsregeln«. Dabei könnte alles ganz anders sein - wenn wir endlich menschlicher werden.
Zurück zur Menschlichkeit Die vier noblen Gesetze des Zusammenlebens
Sind wir Menschen oder Maschinen, die nur funktionieren und irgendwelchen Programmen folgen? Es liegt immer an uns selbst. Und entsprechend den kosmischen Lebensgesetzen weben wir mit unseren Entscheidungen unser eigenes Schicksal. Die universelle Liebe bezeichnet den (göttlichen) Energiestrom, der alle Lebe-wesen des Universums miteinbezieht, ohne Ausnahme. Sie unterscheidet und bewertet nicht, und sie grenzt nichts und niemanden aus.
Das buddhistische Gebet der universellen Liebe lautet: Mögen alle Wesen,wo auch immer sie sind,was auch immer sie tun mögen, welche Form oder Größe sie auch haben, ob sichtbar oder unsichtbar, ob in der Nähe oder in der Ferne lebend, in welcher der zehn Richtungen auch immer, mögen alle von ihnen, ohne Ausnahme, glücklich sein ...
Sind auch wir in der Lage, allen Wesen, ohne Ausnahme, Glück zu wünschen? Unsere Mitmenschen nach ihrem innersten, unsterblichen Kern und nicht nach ihrem aktuellen Entwicklungsstand oder ihren unbewußten Taten zu »bewerten«? Sind wir in der Lage, uns selbst in unserem Nächsten zu sehen – und zu lieben? Die universelle Liebe bedingt auch, daß wir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, wenn uns einmal etwas Unangenehmes widerfährt. Denn unsere »negative Reaktion« wird weitere Negativität produzieren und das Leiden noch verstärken. Stattdessen können wir neutrale, universelle Liebe in die Richtung zu senden, aus der die vermeintliche Ungerechtigkeit kam. Dazu bedarf es einer gewissen Weisheit und der Liebe für »alle« Wesen. Sobald uns das aber gelingt, verändert sich alles.

2. Mitfühlen – statt Mitleiden

Die christliche Leidenslehre bestimmt noch immer das Denken vieler Menschen. Wir glauben, daß wir leiden und Opfer bringen müssen, um ein glückliches Leben »verdient zu haben«. Entbehrung, Askese, Selbstgeißelung und der Verzicht auf Freude, Liebe und Lachen gilt seit Jahrhunderten als wahrer Schlüssel zur Erlösung. Welches Gottesbild muß einem solchen Denken zugrundeliegen? Als wäre Gott ein kranker Psychopath, der sich am Leiden seiner Kreaturen erfreut und sie erst dann segnet, wenn sie »genug gelitten« haben. Kann es einen solchen Gott geben? Oder sind das nur unsere eigenen archaischen Ängste, die sich zu einem göttlichen Schreckensbild verdichtet haben? Schon Christus hat den »Gott der Liebe« gepredigt, der alle Menschen genau so nimmt, wie sie sind und ihnen keine Qualen auferlegt. Und er hat alle Menschen dazu aufgerufen, dasselbe zu tun. Daß man gerade ihn für diese Liebesbotschaft gequält und aus seinem Schicksal eine neue »Leidenslehre« gemacht hat, zeigt, wie wenig man ihn bis heute versteht. Leiden kann niemals glücklich machen! Ein leidender Mensch erzeugt beständig neues Leiden, da sein Energiefeld über ihn selbst hinauswirkt. Er zieht Leiden an und »infiziert« alle Mit-Leidenden damit. Darum hat Buddha die Überwindung des Leidens zum wichtigsten Aspekt seiner Lehre erklärt.

Wie aber kann man das Leiden überwinden? Indem man das Ego überwindet. Unser Ego ist ein überholtes Evolutionsprogramm aus Zeiten, in denen Selektion, Mutation und Territoriumsverteidigung noch relevant waren. Heute entsteht ein neues Bewußtsein: das Bewußtsein der universellen Liebe. Dessen Formel lautet: Je mehr ich mitleide, desto mehr leide ich selbst. Können wir als Mit-Leiden-de einem Leidenden helfen? Nein! Denn anstatt ihn aufwärtszuführen, folgen wir ihm hinab in die lichtlose Tiefe. Wir schaden ihm damit mehr, als wir ihm nützen. Deshalb sollte nicht das Mit-Leiden, sondern das Mitgefühl an erster Stelle stehen. In der Praxis heißt das, daß wir nicht in die Leidens-geschichten unserer Mitmenschen miteintauchen dürfen, um uns aus falschverstan-dener Solidarität ebenfalls schrecklich zu fühlen, son-dern daß wir neutral und da-mit handlungsfähig bleiben sollten. Durch das Mit-Leiden verstärken wir das Leiden noch. Wenn wir jedoch in un-serer Mitte bleiben, univer-selle Liebe schicken und dem Mitmenschen zutrauen, daß er selbst alle Ressourcen in sich trägt, um sein persönli-ches Leiden zu überwinden, dann sind wir wahre Helfer. Und wir tragen zur Befreiung unserer Mitmenschen bei!

3. Mitfreude – statt Konkurrenz und Neid

Gerade in unserer Wirt-schaftswelt gilt noch die alte Regel von Konkurrenz und Kampf. Wir wollen einander ausstechen und übertrumpfen, und – wenn möglich – erfolgreicher sein als alle anderen. Doch auch in der Fa-milie oder unter Freunden sind Neid, Eifersucht und Konkurrenzdenken allgegenwärtig. Was wir dabei immer übersehen, ist, daß wir all das, was wir anderen Menschen wünschen, in unser eigenes Leben ziehen. Daß wir mit jedem Gedanken, den wir unseren Mitmenschen zusenden, unsere eigene Zukunft kreieren. Wir sind die Architekten unseres Schicksals. Je kooperativer und solidarischer wir also handeln, denken und wirtschaften, desto mehr tragen wir zur Entfaltung unseres eigenen Lebens und zum Glück der gesamten menschlichen Gemeinschaft bei. Doch noch immer predigen sowohl Kirchen als auch politische Parteien - statt der »Mitfreude« mit allen Wesen - das genaue Gegenteil: Sie teilen die Welt auf in Gut und Böse, in Grün, Gelb, Schwarz oder Braun, in Evangelisch und Katholisch, Jüdisch und Muslimisch, in Arm und Reich, Hell und Dunkel, Ost und West, und rufen damit zur Trennung und gegenseitigen Ausgrenzung auf.

Man sucht nach Gleichgesinnten und »Anhängern«, obwohl das Anhängen und Anhaften den Menschen unfrei macht. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich! Was für ein prähistorischer, unmenschlicher Unsinn! Wer in der Lage ist, sich für »alle« Menschen zu freuen, ungeachtet deren Nationalität, religiösen Zugehörigkeit oder politischen Gesinnung, der geht den wunderbaren Weg der Selbstbefreiung. Wer einem geschäftlichen oder sportlichen »Konkurrenten« seinen Erfolg gönnen kann, anstatt neidisch auf ihn zu blicken, der zieht Erfolg in sein eigenes Leben. Es gibt so vieles, worüber wir uns freuen könnten. Für uns selbst und für alle unsere Mitmenschen. Und je mehr wir uns freuen, desto glücklicher sind wir. Dazu müssen wir keine Siege erringen, keine Rekorde brechen oder den illusionären Ko-kurrenzkampf zu unseren Gunsten entscheiden. Wir müssen nur universelle Liebe in unser Leben lassen und alle anderen Wesen in diese Liebe mit einschließen.

4. Mentale Ausgeglichenheit – statt Streß und inneres Chaos

Immer mehr Menschen erkennen, daß wir wahres Glück nur in uns selbst finden können. So lange wir noch im Außen nach der (Er-)Lösung suchen, werden wir abhängig bleiben von dem, was uns die wankelmütige Welt präsentiert. Geschieht etwas Angenehmes, empfinden wird Freude. Wir jubeln, sind be-chwingt und könnten die Welt umarmen. Gelingt etwas nicht, folgt der große Katzenjammer. Selbstzweifel machen sich breit, Wut und Frustration. Und im schlimmsten Falle suchen wir die Verantwortung bei unseren Mitmenschen und lassen sie dies auch spüren. Wir pendeln beständig zwischen Freud ́ und Leid und finden keine innere Mitte.
Bis wir den Fokus von außen nach innen richten. Zwar haben wir nicht die Macht, die Welt nach unseren Vorstellungen neu zu erschaffen. Wir haben jedoch die Fähigkeit, uns zu entscheiden, wie wir auf die Angebote der Welt reagieren. Oder eben auch nicht reagieren. In Wahrheit geht uns das meiste, was auf diesem Planeten geschieht, überhaupt nichts an. Das bekannte Gelassenheitsgebet »Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden« ist einer der magischen Schlüssel zur mentalen Ausgeglichenheit. Der erste praktische Schritt könnte sein, daß wir uns in Achtsamkeit üben und auf äußere Impulse zukünftig nicht mehr sofort, spontan und emotional reagieren, sondern eine kleine Lücke schaffen. Dieser Moment des Innehaltens gibt uns die Gelegenheit, in uns zu gehen und bewußt zu handeln. Je öfter wir dies tun, desto achtsamer werden wir und dabei unabhängiger von den Einflüssen der oft cha-otischen Außenwelt. Wir sind keine »Re-Agierenden« mehr, sondern bewußte und konstruktiv handelnde Teil-nehmer im großen Spiel des Lebens.
Wer mental ausgeglichen ist, wird zum Beobachter der Welt. Er ist sich darüber im Klaren, daß all seine Handlungen eine Wirkung haben. Er trägt nicht mehr zur Unbewußtheit und Disharmonie bei, sondern erinnert sich an die universelle Liebe, die er auf alles richten kann. Er leidet nicht mit der Welt, sondern trägt zu ihrer Erlösung bei. Er lebt nicht mehr in Konkurrenz zu seinen Mitmenschen, sondern sieht und liebt sich selbst in allen Wesen. Durch die universelle Liebe, das Mitgefühl, die Mitfreude und die mentale Ausgeglichenheit entsteht eine ganz neue Welt. Eine Welt ohne Leiden!

/ Autor: Michael Hoppe / http://www.naturscheck.de/